Tamedia und NZZ teilen sich Zürich-Land und die Ostschweiz neu auf. Mit dem Verkauf der Zürcher Presse AG verschwindet ein weiterer Familienverlag. Von Philipp Cueni
Die Tamedia erhält die lange umworbenen Zürcher Landzeitungen „Zürichsee Zeitung”, „Zürcher Unterländer” und „Zürcher Oberländer”, an welchen die NZZ bisher beteiligt war. Die NZZ übernimmt von der Tamedia die „Thurgauer Zeitung”. Und mit dem Verkauf der „Zürichsee Zeitung” an die Tamedia verabschiedet sich mit der Familie Gut nach 100 Jahren eine weitere Verlegerfamilie und ein kleiner Verlag aus dem Zeitungsgeschäft. Der Grund sei die fehlende Nachfolge innerhalb der Familie. Damit wird die mediale Geographie von Zürich und der Ostschweiz neu abgesteckt. Die beiden Grossen, Tamedia und NZZ, werden weiter gestärkt. Es ist nicht bekannt, wer beim Dreiecksgeschäft an wen wie viel bezahlt hat. Es scheint, als sei Tamedia der tatsächliche Sieger des Deals. Sie kann die von ihr lange begehrten Landzeitungen übernehmen. Der „Tages-Anzeiger” bewertet das Geschäft in Zürich-Land jedenfalls höher als der Kauf von Espace Media und Edipresse. Andererseits muss auch die NZZ ihre Gründe haben, auf die Option Ostschweiz zu wechseln. Vordergründig geben sich Tamedia und NZZ gemeinsam als Gewinner und sprechen von einer guten Lösung. Wer tatsächlich profitiert, wird sich erst zeigen, wenn man weiss, welches Verlagshaus was aus der neuen Ausgangsposition gemacht hat. Die NZZ hat ihre bessere Ausgangsposition bei den Landzeitungen mit Besitz und Beteiligungen und einem Vorkaufsrecht bei der „Zürichsee-Zeitung” aufgegeben. Vielleicht war der finanzielle Druck der Tamedia im Bieterwettbewerb einfach grösser. Andererseits fehlte der NZZ offenbar eine klare Strategie, was sie mit den drei Landzeitungen machen will, sonst wäre sie bereits früher aktiv geworden. Zudem kann die NZZ ihrem unzufriedenen Teil im Aktionariat kurz vor der Generalversammlung aufzeigen, dass sie sich verlegerisch doch bewegt. Und mit dem Erwerb der „Thurgauer Zeitung” bieten sich der NZZ in der Ostschweiz neue Optionen, nachdem man bisher auch keine Strategie für das (1991 übernommene) „St. Galler Tagblatt” erkennen konnte.
Vor einem Arbeitsplatzabbau. Sicher ist: Mit dem Verkauf der Zürichsee Presse AG nimmt die Eigentümervielfalt bei der Presse weiter ab. Der Deal wird die Zeitungslandschaft in Zürich-Land und in der Ostschweiz umkrempeln. Und die neuen Besitzverhältnisse werden zu einem Abbau von Arbeitsplätzen führen. Es muss befürchtet werden, dass bei der „Thurgauer Zeitung”, dem „St. Galler Tagblatt” und den drei Landzeitungen Stellen abgebaut werden. Sowohl NZZ wie auch Tamedia sprechen von notwendigen Einsparungen, Synergien und Ergebnisverbesserungen, welche angestrebt werden. Betroffen von der neuen Situation sind neben den Landzeitungen und der „Thurgauer Zeitung” auch das „St. Galler Tagblatt”, der „Winterthurer Landbote” und die „Schaffhauser Nachrichten”.
„Tagblatt” wird stärker. Die „Thurgauer Zeitung” wird als selbständiger Titel zwar erhalten bleiben, aber als Kopfblatt in die Gruppe des Tagblatts integriert. Damit rückt das „St. Galler Tagblatt” im Auflagen-Ranking an sechste Stelle der bezahlten Tageszeitungen vor. Tamedia hat versprochen, die Regionalzeitungen als eigenständige Titel zu erhalten. Allerdings schwebt ihr ein neues Blatt vor, welches die drei Landzeitungen, den Landboten, an welchem Tamedia zu 20 Prozent beteiligt ist, und gleich noch die eigenständigen „Schaffhauser Nachrichten” integrieren soll. Das ergäbe ein Auflagevolumen von 130 000, inklusive Schaffhauser von 155 000. Das würde im Auflageranking gleich Platz 5 oder 6 bedeuten. Eine solche neue Regionalzeitung für Zürich Land, Winterthur und Schaffhausen unter dem Dach der Tamedia würde publizistisch anders positioniert als der „Tages-Anzeiger” – Vorbild ist das Berner Modell mit Bund und BZ. Allerdings: Die „Schaffhauser Nachrichten” sind selbständig und wollen das auch bleiben. Für einen Verkauf gäbe es keinen wirtschaftlichen Druck; ein kleiner Verlag lebe in einem homogenen Gebiet gut. Und die Entwicklung bei NZZ und Tamedia seien nicht im Sinne der Schaffhauser, sagt Norbert Neininger, Verleger der Schaffhauser Nachrichten. Beim „Landbote” hält Tamedia lediglich 20 Prozent. Trotzdem müssen die Schaffhauser wie die Winterthurer auf die neue Situation reagieren, weil der erst 2006 gegründete Zeitungsverbund Nordostschweiz („Thurgauer Zeitung”, „Schaffhauser Zeitung”, „Landbote”) auf Ende 2010 beendet wird. Der „Landbote” kann seinen Mantel nicht mehr an die „Thurgauer Zeitung” verkaufen, weil letztere zum „St. Galler Tagblatt” wechselt. Und die Schaffhauser müssen im Anzeigenbereich und bei der redaktionellen Zusammenarbeit neue Kooperationen suchen. „NZZ und Tameda leisten gemeinsam einen Beitrag zur Stärkung des Zeitungsmarktes” kommentierte Tamedia-Verleger Pietro Supino. Es wird sich zeigen, ob nur der Markt oder auch die Publizistik profitiert.
© EDITO 2010
|