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Wieviel „zuviel SRG” schadet den Verlegern und wo ist eine Zusammenarbeit innerhalb des Mediensystems Schweiz möglich? Die Verleger plädieren für eine anhaltende Beschränkung des Onlineangebots der SRG.
Ein Tribünen-Beitrag von Norbert Neininger.

Daniel Eckmanns Einladung zum Tanz ist ebenso bemerkens- wie verdankenswert. Der stellvertretende Generaldirektor – also ein hoher Repräsentant der SRG – bietet uns Schweizer Verlegern in seinem EDITO-Tribünenbeitrag an, man könne sich – „statt das Trennende zu suchen” – „auf die Erkennung der grossen gemeinsamen Problemursachen” konzentrieren und „Felder definieren, auf denen Verleger und SRG gemeinsam zusammen arbeiten”.
Da man ja nichts flicken muss, was nicht kaputt ist, stellt sich zuerst die Frage, wo das Problem aus SRG-Sicht liegt und was dessen Ursachen sind. Das wird, wenn auch leicht verbrämt, gegen Ende des Aufsatzes klar: Es geht um das Verbot von Online-Werbung für die SRG, welches gesetzlich festgeschrieben ist und auf das die Verleger grössten Wert legen. Das führe dazu, so Eckmann, dass – wie bei den Werbeverboten im klassischen Fernsehen – ausländische Sender oder global tätige Konzerne wie Google oder Amazon profitierten.
So endet Eckmanns Analyse der „Mediengegenwart”, die man – mit Ausnahme seiner Schlussfolgerungen – über weite Strecke teilen kann. Ja, die Medienlandschaft befindet sich im Umbruch. Ja, seit sich die Information von ihren Trägern gelöst und entstofflicht hat, verschwinden Zeit und Distanz und konvergieren nicht nur die klassischen Medien unter sich, sondern auch die alten und die neuen. Und selbstverständlich wird das Internet letztlich zum umfassenden Redaktionssystem, aus dem alle Medien gespiesen werden.

Kampf um die Aufmerksamkeit. Was allerdings bleibt, sind zwei Dinge: Der Menschen Bedürfnisse und die Sehnsucht nach wahrhaftiger Unterrichtung und vertrauenswürdigen Informationen ändern sich nicht, und der Tag eines jeden hat exakt 24 Stunden. Wer die Bedürfnisse umfassend befriedigt, wird von der Allgemeinheit geschätzt, erhält von der Öffentlichkeit Aufmerksamkeit und damit auch Werbe- und/oder Abonnementsgelder. Oder wird, wenn er als Radio- oder Fernsehstation konzessioniert ist und einen gesetzlich formulierten gemeinschaftlichen Service public-Auftrag erfüllt, durch Gebühren haupt– (SRG) oder nebensächlich (Private) finanziert.
Wohl wahr: Im Kampf um die „schwer erhältliche Aufmerksamkeit” (Heinrich Oswald) müssen derzeit nicht nur die Verleger und anderen privaten Veranstalter, sondern muss auch die SRG gegen neue, branchenfremde Konkurrenten bestehen. Längst nimmt die Beschäftigung mit Spielkonsolen, SMS-fähigen Handys oder Social Media – Plattformen (Twitter, Facebook) gerade bei jüngeren Menschen viel Zeit in Anspruch. Man braucht kein Prophet zu sein, um den Erfolg des iPad vorauszusagen. Doch berühren nur ein Teil der Entwicklungen unser Kerngeschäft und es ist wohl an der Zeit, Missverständnisse aufzuklären und auf die Rückkehr der Vernunft zu setzen.
Man weiss gar nicht mehr, wie die Legende vom Gratismedium Internet entstanden ist und warum sie sich so hartnäckig hält. Es mag wohl zum einen an der bewussten anhaltenden Missachtung der Urheberrechte liegen und der irrigen Meinung, beim – anfänglich anarchistischen – Netz handle es sich um einen neuen, rechtsfreien Raum. Und zum anderen in der Tatsache begründet sein, dass viele Publizistik-Unternehmen das neue Medium vollkommen unterschätzt und auf falsche Geschäftsmodelle gesetzt haben.
Diese Fehler werden nun auf breiter Basis korrigiert. Paid Content heisst das Gebot der Stunde, und man darf davon ausgehen, dass die Urheber innert nützlicher Frist wieder für ihre Leistungen entschädigt werden. Dazu wird auch die Doppelstrategie der Schweizer Medienunternehmen beitragen: besserer rechtlicher Schutz auf der einen, einfacher Zugang und standardisierte Bezahlsystem für Online-Content auf der anderen Seite.
Wer an diesem Weg zweifelt, dem sei in Erinnerung gerufen, dass weite Teile dessen, was das Internet heute so spannend erscheinen lässt und gratis zugänglich ist, von Journalisten (selbstverständlich gegen Bezahlung durch ihren Verlag) erarbeitet wurde. Man könnte sich für einmal, und das schafft Klarheit, das Internet völlig ohne aus Medienunternehmen stammende Inhalte denken. Viel Relevantes bliebe da wohl nicht übrig.
Ein zweites, verbreitetes Missverständnis heisst: Suchmaschinen fördern die Portale der Medienunternehmen, bringen Nutzer und damit Umsatz und Gewinn. Das ist leider nur ein Teil der Wahrheit: Das parasitäre Geschäftsmodell der Suchmaschinen könnte nur dann hilfreich sein, wenn die Einnahmen – und das ist die kurzfristige Forderung – zugunsten der Urheber neu verteilt würden. Zum zweiten aber, und das ist das Hauptproblem, schalten sich die Googles dieser Welt zwischen das Publikum und die Urheber der Informationen, sammeln zu jeder Adresse alle erdenklichen Daten und haben letztlich nur ein einziges Ziel: Die Werbegelder – und damit die Erwerbsquellen der Medienunternehmen – auf sich umzulenken.

Nicht wie viel ‒ sondern wer. Das Internet als Allzweckwaffe gegen ausländische Fernsehveranstalter? Nein, ein noch so ausgebautes und grosszügig durch Gebühren und Werbung (quer-)finanziertes Online–Angebot der SRG ist keine taugliche Allzweckwaffe gegen die ausländischen (Werbe-)Fenster. Und schon gar nicht gegen Ebay, Amazon oder Facebook. Letztere spielen in einer anderen Liga und erstere profitieren von einer Lücke im ansonsten allzu engmaschigen Gesetzesnetz.
Und so geht es auch keineswegs, wie Daniel Eckmann schreibt, um die Frage, „wie viel audiovisuellen Service public das Land braucht”. Sondern darum, wer diesen liefert und wie dessen Produktion finanziert wird. Die SRG hat zwar einen Service public-Schwerpunkt in ihrem Auftrag, aber kein Monopol in dessen Umsetzung. Jedes Schweizer Medienunternehmen, vor allem jene mit politisch-kulturell ausgerichteten Zeitungen beziehungsweise Zeitschriften oder Radio- und Fernsehstationen, tragen zur Identität des Landes bei und fördern – gerade in den Regionen – das politische und kulturelle Leben stark.
Mehr noch: Die politische Debatte ist geradezu Programm für die zahlreichen Schweizer Zeitungen. Und wenn die privaten Medienunternehmen nun ihr Geschäftsmodell ins Internet erweitern, so werden sie diese gemeinnützigen Informationen auch dort verbreiten. Verleger sein – und damit unsere Demokratie und unsere Gepflogenheiten fördern zu wollen – ist keine Haltung, die sich auf einen der heutigen oder künftigen so genannten Kanäle beschränkt.
Wenn also die SRG vom Gesetzgeber nun fordert, er soll ihr gestatten, ihre Internetaktivitäten über den eigentlichen Auftrag (Verteilen der Sendungen über einen neuen Kanal) hinaus zu erweitern und diese Erweiterung durch Online-Werbung finanzieren zu können, so fordert sie zugleich, den privaten Medienunternehmen sei die Zukunftsentwicklung zu verwehren. Umgekehrt müssten wir dann verlangen, die über ein gerütteltes Mass an Service public-Elementen verfügenden verlegereigenen Online-Portale sollten durch Gebühren finanziert werden. Um dann beizufügen, dass dies ohne die ausufernde Bürokratie und die karnevalesken Ausführungsbestimmungen geschehen müsste, unter denen die privaten Radio- und Fernsehstationen leiden.

Wenn schon, denn schon  ... Und doch sollte man eine Einladung zur Zusammenarbeit nicht einfach ablehnen. Nichts gegen das Angebot, die Randthemen (Ausbildung/Technik) gemeinsam anzugehen. In den Verhandlungskorb müsste darüber hinaus der Verlegerzugang zu den audiovisuellen Archivinhalten der SRG gelegt werden, was durchaus legitim wäre; was die SRG produziert hat, hat das Publikum mit den Gebühren bereits bezahlt. Im weiteren wäre auch ein Zukunftslabor vorstellbar, in dem SRG und Verleger gemeinsam über Medienentwicklungen und ihre Konsequenzen nachdenken.
Sinnvoller und nachhaltiger aber wären – wenn schon, denn schon – ein Joint Venture, um der wirklich bedrohlichen ausländischen und branchenfremden Konkurrenz Herr zu werden: Wie einst beim Teletext könnte eine vom partnerschaftlichen Gedanken getragenes gemeinsames Unternehmen beispielsweise eine Schweizer (Medien-)Suchmaschine etablieren.
Alles andere würde dazu führen, dass die ohnehin schon grosse Symmetrie zwischen der SRG und den privaten Medienunternehmen – die nun mit ganzer Kraft an der Zukunftsgestaltung arbeiten und dazu auf breiter Basis bessere Rahmenbedingungen (sprich indirekte Fördermassnahmen) erwarten – durch den Zugang der SRG zum Online-Werbemarkt auf Kosten der Verleger noch ausgebaut wird. Dadurch würden, anders als die SRG meint, weder die Medienunternehmen noch das „Mediensystem insgesamt” gestärkt.


Norbert Neininger ist Verleger/Chefredaktor der Schaffhauser Nachrichten und Mitglied des Präsidiums des Verlegerverbandes, Ressort Publizistik.

Die Verleger und die SRG im Schweizerischen Mediensystem: In EDITO 5/09 publizierten wir die Position der SRG in einem Beitrag von Daniel Eckmann, stellvertretender Generaldirektor der SRG SSR.

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