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Die Deutsche Welle garantiert eine weltweite Medienpräsenz Deutschlands – und ist darüber hinaus eine multikulturelle Institution. Der Staat Deutschland lässt sich das nach massiven Etatkürzungen immer noch 400 Millionen Franken kosten.
Von Fritz Wolf

Deutsche Welle, das sind längst nicht mehr nur Nachrichten auf Kurzwelle. Die Deutsche Welle hat schon vor Jahren Online und Radio integriert. Sie schickt Nachrichten per Radio und Fernsehen in die Welt, bietet aber auch Sprachlernkurse in Deutsch an und informiert über ein Studium in Deutschland. Auf einer eigenen Akademie bildet der Sender Journalisten aus und veranstaltet einmal jährlich einen Globalisierungskongress.
Die Deutsche Welle (DW) hilft in anderen Ländern beim Aufbau von unabhängigen Radio- und Fernsehsendern oder einzelnen Programmen. DW ist beteiligt am „Dialog mit der Islamischen Welt”, an „Global Ideas”, welche sich mit der Klimaerwärmung befasst, und alljährlich lädt sie ein Nachwuchsorchester aus dem Ausland zu einem Workshop im Rahmen des Beethovenfestes nach Deutschland. Die DW-Redaktion produziert mit Rundfunksendern in Entwicklungsländern und Staaten des ehemaligen Ostblocks Radiofeatures und Dokumentationen. Mit einem ägyptischen TV-Sender produziert die DW eine gemeinsame monatliche Talkshow „Jugend ohne Grenzen”.
Der umtriebige Sender klagt über finanzielle Probleme. In den letzten zehn Jahren wurden die Mittel um nahezu ein Drittel gekürzt. Das Budget beträgt umgerechnet dennoch stattliche 400 Millionen Franken. Zum Vergleich: Das Budget von Swissinfo beträgt 26 Millionen Franken. Für die Deutsche Welle arbeiten knapp 1300 festangestellte und eine hohe Zahl freier Mitarbeiter.
Der Auslandssender mit Sitz in Bonn und Berlin gehört zwar zur ARD, ist aber eine Anstalt nach Bundesrecht und wird nicht aus Gebühren, sondern von der Bundesregierung direkt aus Steuermitteln finanziert. Politisch zuständig ist der Staatsminister für Medien und Kultur, Bernd Neumann. Nach dem Deutsche-Welle-Gesetz ist der Sender journalistisch unabhängig und gilt gleichzeitig als „Visitenkarte” der Bundesrepublik im Ausland. Als Kernaufgaben gelten: mediale Aussendarstellung der Bundesrepublik; Verbreitung von Kenntnissen über Staatsaufbau, Rechtsstaat und demokratische Werte; Vermittlung zwischen den Kulturen sowie Förderung der deutschen Sprache.
Die DW erreicht wöchentlich 86 Millionen Menschen. Die meisten davon übrigens, allem Medienwandel zum Trotz, per Radio – nämlich 54,5 Millionen (davon hören die meisten die fremdsprachigen Radioprogramme). Knapp 25 Millionen sehen DW-TV und etwa 6,5 Millionen surfen auf den Wellen von dw-world.de.

In allen Medien zuhause. DW-Radio wird in 30 Sprachen ausgestrahlt, in Afrika auch immer noch über Kurzwelle. Fernsehen wird in vier Sprachen ausgestrahlt (Deutsch, Englisch, Spanisch und Arabisch), 24 Stunden täglich nach festem Sendeplan. Die Beiträge werden selbst produziert oder kommen über Programmaustausch von ARD und ZDF. In den kommenden Jahren möchte Intendant Erik Bettermann die Kooperationen mit den öffentlich-rechtlichen Sendern ausweiten und auch private Medienunternehmen in die Pflicht nehmen.
Das Online-Angebot ist bereits sehr umfangreich; es bietet Produktionen als Podcast, Livestream oder Audio on demand. Das Angebot soll weiter ausgebaut werden, die mediale Verflechtung wird für die kommende Periode bestimmend sein. Die Deutsche Welle versucht, ihre Programme auch über Sender und Kabelnetze in den fernen Ländern selbst auszustrahlen.
Die Wettbewerbsfähigkeit der Deutschen Welle sei „in einigen Regionen gefährdet”, so Intendant Bettermann: „Zwanzig Jahre nach der Einheit muss Deutschland wissen, ob es in seiner medialen Aussendarstellung in der Regionalliga oder in der Champions League spielen will”. Er spricht sogar von einer „patriotischen Aufgabe”.
Eine Art von Regierungssprecher will die DW gleichwohl nicht sein – und soll es nach dem gesetzlichen Auftrag auch nicht. Der formuliert als Ziel, umfassend, wahrheitsgetreu und sachlich zu informieren. Der Sender muss seine Arbeitsplanung zwar von der Bundesregierung absegnen lassen, arbeitet aber in eigener journalistischer Verantwortung. Gleichwohl muss er die aussenpolitischen Interessen beachten. Der Sender, heisst es in der jüngsten Evaluationsstudie, erstelle seine Programme „in eigener Verantwortung unter Nutzung aller für ihren Auftrag wichtigen Informationen und Einschätzungen, insbesondere vorhandenem aussenpolitischen Sachverstand”.
Der Medienwissenschafter Hans J. Kleinsteuber, selbst lange Mitglied im DW-Rundfunkrat, hat den Balanceakt der Deutschen Welle so formuliert: „Sicherlich zählt auswärtige Kulturpolitik zu ihren Aufgaben. Aber mit allzu offensichtlicher Deutschland-PR muss sie vorsichtig sein. Sie kann schnell ihre eigene Glaubwürdigkeit untergraben.”
„Deutschland muss in der Welt stärker präsent sein. Unser Land muss ein Interesse daran haben, seine Perspektiven und Positionen zu verbreiten”, erklärt Erik Bettermann im DW-Magazin „weltzeit”. „Immer mehr Nationen entdecken die Kraft des Auslandrundfunks und bauen ihre Medienangebote aus. Dies unterstreicht die politische Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit anderen Wertesystemen. Nur mit einer medial klar vermittelten Position wird Deutschland in einer globalisierten Welt wirtschaftlich, politisch und kulturell wahrgenommen.”

Fritz Wolf ist freier Journalist in Düsseldorf.


KONKURRENZ DER AUSLANDSENDER
Die internationale Konkurrenz ist für die traditionellen Auslandsender gross geworden – auch im Fernsehbereich. Frankreich hat mit France 24 ein französisch-, englisch- und arabischsprachiges Nachrichtenangebot auf Sendung gebracht. Russia Today strahlt 24 Stunden englisches Programm aus, inzwischen auch einen arabischsprachigen Sender. CCTV aus China ist höchst aktiv. CNN sendet auch auf Spanisch und Türkisch. „Und gegen die mediale Einbahnstrasse strahlt Al Jazeera seit 2006 auch auf Englisch aus”, beobachtet der Deutsche Journalist Fritz Wolf. Tatsächlich ist die Liste der internationalen Sender lang: Neben den Grossen wie BBC, France 24, Radio France International, Voice of America, CNN, Russia Today CCTV oder Al Jazeera sind da auch Kleinere wie Radio Netherlands Worldwide, SR International Schweden oder Radio Prag. Vermehrt werden Programme aus Europa in neue Zielgebiete in Sprachen wie Hindu oder Persisch gesendet. Petra Schneider, Vertriebsleiterin der Deutschen Welle, stellt in „weltzeit” fest: „Immer mehr Staaten haben ein Interesse daran, international mit eigenen Sendern präsent zu sein”, um auch neue geopolitische Schwerpunkte medial zu bedienen.

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