Weltweit konkurrenzieren sich immer mehr Auslandsender wie BBC, Deutsche Welle, France24 oder Al Jazeera. Der Bundesrat hält ein Weltprogramm aus der Schweiz für unnötig und will den Finanzbeitrag an Swissinfo streichen. Eine globale Medienstimme aus der Schweiz scheint aber wichtiger denn je. Von Gerhard Lob
CVP-Ständerat Filippo Lombardi ist sauer. Gerade vier Jahre ist es her, seit das Parlament im Rahmen der Diskussion um das neue Radio- und Fernsehgesetz (RTVG) seine Motion gut hiess, wonach der Bund das internationale News- und Infoportal Swissinfo (SI) „mindestens zur Hälfte” finanziert. Seither teilen sich die SRG und der Bund das Jahresbudget von rund 26 Millionen Franken für die neunsprachige multimediale Internet-Plattform – das Nachfolgeprodukt von Schweiz Radio International (SRI). Im neuen RTVG wird festgehalten, dass die SRG die engere Verbindung zwischen den Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern und der Heimat sowie die Präsenz der Schweiz und das Verständnis für deren Anliegen im Ausland fördert. Swissinfo als Unternehmenseinheit der SRG erfüllt diesen Auftrag. Doch beim Bund scheint man nicht mehr viel von diesem Auftrag zu halten. Der Bundesrat hat im Rahmen der Aufgabenprüfung vorgeschlagen, die Beiträge einzustellen. „Der Bund verzichtet darauf, das Angebot der Internetplattform Swissinfo zu bestellen und streicht die entsprechenden Beiträge an die SRG”, heisst es trocken in der langen Sparliste aus dem Finanzdepartement. Das Sparpotenzial wird ab 2012 auf jährlich 13,2 (später 13,4) Millionen Franken beziffert.
„Selbstmordstrategie”. „Dieser Vorschlag zeugt von Fantasielosigkeit und einer krassen Missachtung des Parlament-willens”, wettert Lombardi. Er sei es leid, alle paar Jahre über Swissinfo diskutieren zu müssen. „Es ist eine Selbstmordstrategie”, doppelt der energische Tessiner Ständerat nach, der – als Direktor von Teleticino und Präsident der Privatfernsehvereinigung Telesuisse – nicht unter dem Verdacht steht, für eine SRG-Einheit zu lobbyieren. Nicht wenige Politiker sind der Auffassung, dass es gerade in der jetzigen politischen Situation mit einer zunehmenden internationalen Isolierung der Schweiz nötiger sei denn je, die eigenen Anliegen und Positionen im Ausland zu vertreten. Man denke nur an das Minarett-Verbot, die Libyen-Krise, die Diskussion um das Bankgeheimnis oder den Steuerstreit. Diese Meinung vertritt auch Christa Markwalder (FDP) als Präsidentin der aussenpolitischen Kommission des Nationalrats. „Swissinfo gibt gute und wertvolle Informationen – das ist gerade für an der Schweiz interessierte Bürger im Ausland wichtig”, meint sie. Ihrer Einschätzung nach gebe es zurzeit eine Parlamentsmehrheit pro Swissinfo. Anders gesagt: Der Sparvorschlag des Bundes hat wenig Chancen. Dies ist ganz im Sinne der Auslandschweizer, die sich bereits energisch gegen allfällige Kürzungen ausgesprochen haben. „Es kann nicht sein, dass sich unser Land Schritt für Schritt von der Welt abgrenzt”, sagte beispielsweise Jacques-Simon Eggly, Präsident des Auslandschweizerrates. In einer Resolution hat dieser Rat Ende März gefordert, dass Bund und SRG weiterhin „die Kosten für den Auslandteil des Service public im Einklang mit dem RTVG paritätisch tragen.”
Staatspolitische Gründe. „Da würde eine Stimme wegfallen, die gerade im Ausland etwas gilt”, sagt Claude Frey, Präsident des SI-Publikumsrates und früher auch Nationalrat für die FDP . Im Gegensatz zu 2005 steht heute auch die SRG ganz hinter ihrer Unternehmenseinheit, auch wenn sie ein gewisses Sparpotenzial geortet hat und einen Viertel (7 Millionen) des Budgets einsparen will. Der SRG-Verwaltungsrat hielt Ende Februar in einer Stellungnahme fest, „dass es Swissinfo aus staatspolitischen Gründen braucht.” Der Bund solle sich weiterhin mit 50 Prozent an den Kosten beteiligen. Doch braucht es Swissinfo im weltweiten Medienangebot wirklich? Gibt es nicht schon genügend Internet-Plattformen (wie newsnetz.ch oder nzz.ch oder drs.ch), die ausführlich genug über die Schweiz berichten? Und warum soll man dafür noch Steuergelder einsetzen? „Wir unterscheiden uns ganz grundsätzlich von den anderen News-Plattformen”, hält Swissinfo-Direktor Peter Schibli fest. Nicht die NZZ, sondern der Auslandsdienst von BBC oder die Deutsche Welle seien der Vergleichswert. Er verweist insbesondere auf die Mehrsprachigkeit, welche neben den drei offiziellen Landessprachen Deutsch, Französisch und Italienisch noch Englisch, Spanisch, Portugiesisch, Arabisch, Chinesisch und Japanisch umfasst.
Eigenständige publizistische Linie. Ein ganz wichtiger Punkt: Die Inhalte werden spezifisch für das Zielpublikum der Auslandschweizerinnen und -schweizer und an der Schweiz interessierten Personen im Ausland aufbereitet. Das Know-How der Redaktionen in den Landessprachen dient dabei im Besonderen dazu, die „Exoten” zu beliefern, welche die Texte in die weniger gängigen Sprachen übersetzen. Elisabeth Veya, Präsidentin des Ausschusses von Swissinfo, schreibt denn auch in ihrem Vorwort zum soeben veröffentlichten Geschäftsbericht 2009: „Wird der Leistungsauftrag des Bundes ernst genommen, kann das Programm nicht aus der Kompilation verschiedener Inhalte anderer Unternehmenseinheiten bestehen, sondern muss eine eigenständige publizistische Linie behalten, die speziell auf das Zielpublikum im Ausland ausgerichtet ist.” „Wer berichtet in arabischer Sprache über die Libyen-Krise aus Schweizer Sicht?”, fragt SI-Chefredaktor Christophe Giovannini, der auch das ständig steigende Interesse an Swissinfo im Detail dokumentiert hat. Zwischen 2008 und 2009 hat sich etwa der Monatsdurchschnitt von Seiten-Aufrufen (Visits) von 1,6 auf 1,9 Millionen erhöht. 70 Prozent aller Treffer kommen aus dem Ausland, wobei Westeuropa mit 28 Prozent den Löwenanteil ausmacht. Jeder fünfte Aufruf stammt aus Nordamerika (USA/Kanada), jeder zehnte aus Asien. Auch wer Swissinfo verteidigt, sieht durchaus Verbesserungspotenzial. Ständerat Lombardi ist beispielsweise der Meinung, dass die Plattform etwas lebendiger werden und ihr Marketing in eigener Sache verbessern sollte. Die Direktion selbst arbeitet intensiv an Verbesserungsmöglichkeiten sowie Erweiterungen des Leistungsauftrags. Peter Schibli ist überzeugt, dass Swissinfo unbedingt einen russischen Dienst anbieten sollte, nachdem ein entsprechender Probelauf im Jahr 2009 erfolgreich war. Zudem sollen die Comunity-Elemente mit einem Einbezug der Leserschaft erweitert werden. Und schliesslich ist „die konsequente Bedienung der Zugezogenen in der Schweiz”, wie Schibli sagt, ein wichtiges Thema. Diese Erweiterung des Leistungsauftrags fordern auch SP-Nationalrätin Silvia Schenker und rund 14 Mitunterzeichnende in einem Postulat. Demnach sollte sich Swissinfo in seinem Informationsangebot nicht nur an ein Zielpublikum im Ausland richten, sondern auch an Zugezogene in der Schweiz, was die Integration der Ausländer erhöhen würde. Swissinfo wäre demnach ein gutes Mittel, um das Verständnis für politische Themen und das Funktionieren der Demokratie an Ausländer in der Schweiz zu vermitteln.
Gerhard Lob ist Journalist in Locarno. Er arbeitet als freier Mitarbeiter auch für Swissinfo. © EDITO 2010
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